Ich bin eine Tagebuchwegwerferin. Der Gedanke, dass jemand irgendwann lesen könnte, was ich als Auslagerung von Gedanken betrieben habe, ist mir unangenehm. Das Tagebuch, das ich zur Zeit beschreibe, werde ich behalten. Das handgemachte, das für mich gemachte, das mit Bedacht beschriebene.

Außerdem mag ich gerade wieder Kaffee trinken, nach einer langen Teephase und genieße es, morgens in der Sonne zu sitzen. Morgen geht es wieder auf die Reise, dann gibt es den Kaffee am offenen Mansardenfenster.

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Bei allem Welt- und Kriegsgeschrei gibt es die Momente, in denen eine Hummel eine Akeleiblüte besucht, in denen das Gimpelpaar ganz dicht an mir vorbeifliegt, in denen wir uns umarmen, gibt es das Gefühl, in der Frühlingssonne wohlig und gemächlich bergaufzugehen und ab und zu auf den See hinunterzuschauen. Ganz in diese Augenblicke einzutauchen, sie lang und breit werden zu lassen, ist kein Verdrängen, es ist lebenswichtig. MA.

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How many fingers, Luisa?

„luisa in gedanken – 03.05.2024 um 19:04 Uhr

verschont mich bloß mit eurem betroffenheitskäse. auch wenn ich während corona nicht gereist wäre, wären kinder psychisch gequält worden, wären alte einsam und allein gestorben und ihr moralapostellinnen habts auch nicht verhindert. ihr habt euch bloß empört. selbstgerecht. ich wollte auch nicht einsam und allein sterben drum hab ich das gemacht was ich schon immer mache: mein ding.“

Wenn feministische Freundinnen auf einmal faschistische Mitläufer- und Vogel Strauß Politik preisen und Widerstand für sinnlos erklären, ist es Zeit, den Kontakt endgültig abzubrechen. Ent-Täuschung.

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Traurig,

den Niedergang einer Stadt zu sehen, selbst wenn man sie nie besonders gemocht hat. Neues, teures Pflaster ersetzt das alte mit dem Charme einer Kopie, bei der die Tinte zu Ende ging, die alten Platanen auf dem Platz wurden durch weiße Schirme ersetzt, vor dem Nobelitaliener (am 1. Mai geschlossen) nickt jemand im Crystal-Rausch, Spaß haben die kleinen Kinder mit den Wasserspielen, was die Eltern ihnen zurufen, verstehe ich leider nicht, wir sind die einzigen Deutschsprachigen in der Fußgängerzone, wo früher ein Café war, so ein altmodisches, auf zwei Etagen, prangt ein Handyladen, die Apotheke gibt es auch nicht mehr, ums Rathaus ist ein Gerüst, wenigstens das wird aufpoliert (das war jetzt ironisch), der Schuhmacher scheint noch zu arbeiten, Göttin, er muss fast Hundert sein, aber vielleicht ist es auch hier so, dass nur noch das Schild hängt. Ein, zwei Begegnungen haben mich aus meiner Gefühllosigkeit diesem Ort gegenüber gekippt, das will abgeträumt sein. Wie gut, von dort wieder hierher zu kommen, wo die Gimpel und die Nachtigall und die Kormorane mich trösten. Und du.

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Die Fichten blühen,
die wenigen, die noch stehen,
im Sauerland.
So traurig die kahlen Hänge sind:
Ohne Monokultur wäre das nicht passiert.
Und: Wären es noch mehr (kahle Hänge,
an denen früher Fichten standen),
müsste ich nicht so allergisch sein.

Trotzdem ein wunderbarer Frühlingstag.
Von Nachtigall bis Gimpel,
von Flockenblume bis Akelei.

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Nach einigen Tagen mit Rescue, Traumeel und Staphysagria geht es wieder besser. Allmählich wird alles grün. Hier tummeln sich so viele Vögel, immer flattert und singt es ums Haus: Gimpel mit ihren zärtlichen Unterhaltungen, Spechte, Grasmücken, Meisen und Spatzen, Eichelhäher… und natürlich die aufmerksamen Krähen. Weiter oben Milane und Bussarde.

Wieder Zuhause.

Wieder angekommen in einem meiner Zuhause, zwischen Wald und See. In der Ruhe. Eigentlich sollte es schneien, es ist aber trotz Kälte alles grün. (Nicht vergessen: Sie reden euch gerade das heißeste Frühjahr seit 200.000 Jahren ein.)

Ich genieße es, wie diese Unterkunft immer mehr unser Zuhause wird. Hier darf die Klangschale auch wieder Klangschale sein und wird nicht mehr als Schraubendepot missbraucht.

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„Wie geht’s dir?“, fragt mein ältester Sohn. Ich sage: „Gut. Wirklich sehr, sehr gut.“ und strahle ihn dabei offenbar so an, dass es ein Echo auf seinem Gesicht hervorruft. Was für ein guter Moment.

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Sauerland

Wir sind angekommen und mit Sonne, Geruch nach Wald und See begrüßt worden. Heute schüttet es und windet. Zeit für friedliche Innenraumbeschäftigungen, Pasta zum Mittagessen, Lesen, Schreiben und endlich das Reisegepäck zuende auspacken.

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